Bei Wilson Project handelt es sich um eine italienische Band, die mit „Atto Primo“ (auf Deutsch: „Erster Akt“) in diesem Jahr ihr – man ahnt es schon – zweites(!) Album auf den Markt gebracht hat. Die Band besteht aus der Sängerin Annalisa Ghiazza, die nebenbei der Musik von Wilson Project noch die Flötentöne beisteuert, und den Musikern Andrea Protopapa, Stefano Rapetti und Mattia Pastorino, die alles Mögliche bedienen, nur keine Gitarren (sieht man einmal von der Bassgitarre ab). So weit, so ungewöhnlich.

Tracklist:
Ouverture (2:51)
Taiji (9:47)
Bolshoi (6:05)
Ragnarok (12:50)
Nihonga (5:48)
Duat (13:42)
Und ungewöhnlich geht es weiter, nämlich mit den Titeln der einzelnen Stücke. Dass das Album mit einer „Ouverture“ beginnt, ist noch erwartbar. Aber die Titel „Taiji“ (das chinesische Wort für Schattenboxen), „Bolshoi“ (das russische Wort für groß, häufig verwendet für das gleichnamige Ballett), „Ragnarok“ (eigentlich Ragnarök, die Bezeichnung der Götterdämmerung in der nordischen Mythologie), „Nihonga“ (Bezeichnung für die traditionelle japanische Malerei) sowie „Duat“ (das altägyptische Wort für das Jenseits) deuten doch auf erhöhten Kunstsinn hin. Und wie das Wort, so der Klang. „Atto Primo“ ist dem klassischen Italo-Prog verpflichtet, jener Spielart des Progressive Rock, die Keyboardteppiche mit opernhafter Attitüde (worauf auch das Cover hindeutet) und exponiertem Gesang zum Gegenstand hat.
Hierfür haben Wilson Project die exakt richtige Stimme an Bord, denn Annalisa Ghiazzas Gesang ist genau das, was diese Musikrichtung verlangt: variabel, ausdrucksstark, eindringlich, ohne dabei aufdringlich zu werden. Und damit passend zu abwechslungsreicher Musik, die viele Rhythmuswechsel kennt, von Unterhaltungsmusik bis hin zu klassischen Zitaten. Hierbei stehen nicht durchgängig Gesang und Tasteninstrumente im Vordergrund, auch der Rhythmusgruppe wird Raum gelassen. So endet das Stück „Bolshoi“ gar mit einem (allerdings recht kurzen) Schlagzeug-Solo. Einen Schönheitsfleck hat „Atto Primo“ jedoch: es springt den Hörer nicht sofort an. Wie die Titel der Stücke, so unterschiedlich ist ihr musikalischer Gehalt. Ich habe mehrere Anläufe benötigt, bis das Album mich für sich eingenommen hat. Was nicht heißt, dass man dem abschließenden „Duat“ mit seinem lounge-artigen Auftakt und seinen sehr gelungenen Rhythmus-Wechseln nicht doch auch mal auf die Schnelle ein Ohr leihen sollte.
Im Fazit ist „Atto Primo“ ein ordentliches Nicht-Debut-Album, das ich Freunden des Italo-Prog ans Herz legen kann. Für all jene, die es nicht so mit Progressive Rock italienischer Bauart haben: weiter mit beliebiger Taste …