Mit “The Story Of Mr. Bogd Part One” veröffentlichten Ritual im letzten Jahr ein hochgelobtes Album. Und auch auf der finalen Night Of The Prog konnte man überzeugen, es sieht also gut aus bei den Schweden. Renald Mienert sprach mit Sänger und Gitarrist Patrick Lundström.
Siebzehn Jahre seit dem letzten Album sind eine verdammt lange Zeit. Warum hat es so lange gedauert?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Es ist wie in dem John Lennon Zitat: Das Leben ist, was passiert, während wir dabei sind, andere Pläne zu machen. Oder, bei uns, das Leben ist, was passiert, wenn du dabei bist, ein Doppel-Album zu machen. Vor zehn Jahren bin ich in Schweden umgezogen, das war ein Umbruch für mich. Es gab eine Scheidung und eine neue Beziehung. Wir leben also nicht mehr in der gleichen Stadt.

Und die schnellsten wart ihr ja ohnehin nie…
Die Zeiträume zwischen unseren Alben waren schon immer recht lang, wenn auch nicht so lang wie dieses Mal. Aber wir leben ja nicht von Ritual, wir haben alle unsere Verpflichtungen. Ich bin ein freischaffender Künstler, bin oft Live mit verschiedenen Projekten unterwegs und tatsächlich ist die Terminfindung über die Jahre komplizierter geworden. Und wir gehen ja nicht mehr ins Studio, nehmen alles live auf und danach gibt es ein paar Overdubs und eine Art Real-Time-Mixing. Das war ein schnellerer Prozess. Jetzt schicken wir uns Files, und das dauert einfach länger, aber es geht nun mal aktuell nicht anders.
Und die Komplexität der Thematik spielte auch eine große Rolle.
Aber es liegt wirklich auch viel an der Natur dieses Projektes. Die Demoversion für das Doppelalbum ist schon seit einigen Jahren fertig. Wir haben so hart dafür gearbeitet, genau die Musik zu machen, die auch zur Story passt. Es gab tatsächlich Songs, die uns gefallen haben, die wir dann aber verworfen haben, weil sie nicht zur Geschichte gepasst haben. Jeder Song steht für eine Episode, wie eine Folge in einer Fernsehserie. Und wir sind sehr streng mit uns selbst. Wir wollten wirklich, dass dieses Album etwas Besonderes wird.

Als Vorgeschmack auf die neue Musik gab es bereits die EP…
Die ersten drei Stücke der EP sind auf “The Story Of Mr. Bogh Part One”, auch wenn sie jetzt remixed und remastered sind. Der vierte ist von Part Two, dem Nachfolgealbum, an dem wir ja nun gerade arbeiten.
Du sprichst ja bei “The Story Of Mr. Bogh” von einem Doppelalbum, warum habt ihr dann nicht beide Teile zusammen veröffentlicht?
Auch da gibt es verschiedene Gründe. Der erste ist ganz einfach, Teil zwei ist noch nicht fertig. Wir haben eine neue Plattenfirma und wollten nicht länger mit einer Veröffentlichung warten, wir wollten diese neue Zusammenarbeit einfach starten. Und wir wollten auch etwas Spannung aufbauen, wie das Warten auf die Fortsetzung eines Filmes. Es ist auch einfacher, was die Liveauftritte angeht. So haben wir ein neues Album und können auch einige alte Songs dazu spielen. Aber es ist durchaus möglich, dass wir zum Erscheinen des zweiten Teils auch ein Gesamtpaket veröffentlichen.

Es gibt ja Konzeptalben, da wird der konzeptionelle Charakter nur über den Text transportiert, die Musik könnte auch von einer Veröffentlichung stammen, wo jeder Song für sich steht.
Exakt. Und wir wollten genau das Gegenteil. Jede Note sollte diesen Moment der Geschichte einfangen. Es war, als wollten wir zwei Dinge auf einmal machen, wir wollten musikalisch diese Geschichte erzählen, aber es sollte auch wie ein Ritual-Album klingen. Es gibt bestimmt Ritual Fans, die interessieren sich nicht für die Texte, also sollte es auch für sie funktionieren.
Ihr erzählt die Geschichte eines Mannes mittleren Alters, der mit seinem Leben nicht mehr zufrieden ist und sich auf eine abenteuerliche Reise begibt. Um den Hörer das Verständnis der Story zu erleichtern, werden bei manchen Künstlern die bloßen Lyrics ja manchmal noch ergänzt, durch Comics oder ergänzende Texte, wie zum Beispiel bei Genesis und The Lamb Lies Down On Broadway.
Ich habe dieses Album sehr oft gehört, ich liebe es. Aber das Lustige daran ist ja, dass diese Story dir auch nicht im Geringsten hilft, die Texte zu verstehen. Diese unglaublich introvertierten Gedanken von Peter Gabriel, aber sie machten die Geschichte nicht klarer.
Wir haben das tatsächlich lange diskutiert, eine Art Erklärung mitzuliefern. Wenn du die Texte vom ersten bis zum letzten Song liest, dann ist es, als ob man ein Buch liest. Die Sprache ist eher einfach und es ist leicht nachzuvollziehen, wie sich die Story entwickelt. Wir haben uns also entschieden, dass es nichts Weiteres braucht. Wenn der Hörer die Texte liest und das Album dazu hört, dann ist die Geschichte eindeutig. Wir erzählen auch eine klassische Geschichte, da ist nichts Spirituelles, nicht über deinen Inner Space, das sind zweifellos großartige Themen. Aber bei uns folgst du dem Helden, dem was er begegnet, den Entscheidungen, die er fällen muss. Es ist eine wirklich gut geschriebene Geschichte. Und nur so funktioniert diese Art von Konzeptalbum, du brauchst eine starke Story.

Habt ihr bei einem solchen Mammutprojekt auch Zweifel gehabt, ihr würdet es nicht schaffen?
Es gab tatsächlich Zweifel. Es gab Treffen innerhalb der Band, auf denen wir darüber diskutiert hatten. Ich hatte auch Zweifel, aber ich habe immer daran geglaubt, dass wir das zu Ende bringen. Es gibt immer Reibungen. Wir sind als Band eine kreative Einheit. Man kann nicht sagen, dass wir streiten, aber wir hatten sehr intensive Diskussionen. Das macht auch Ritual aus, wir sind vier sehr verschiedene Charaktere, jeder trägt auf seine Art und Weise etwas zu den Songs bei. Wir sind eine extrem demokratische Band. Jeder kann zu allem etwas sagen, zum kleinsten Detail im Booklet oder was auch immer.
Während sich bei anderen Bands das Besetzungskarussell fleißig dreht, agiert ihr immer noch in Originalbesetzung.
Ja, jeder scheint darüber erstaunt zu sein, dass wir nach fast dreißig Jahren immer noch das gleiche Line Up haben. Das macht auch den Geist von Ritual aus. Wir sind wie eine Familie. Sollte es einen Wechsel geben, wäre es nicht mehr Ritual, aber den wird es nicht geben.

Neben Ritual hast du ja auch mit Kaipa im letzten Jahr ein neues Album veröffentlicht.
Aber bei Kaipa bin ich ja nicht in den kreativen Prozess integriert, da ist es wirklich Hans, der alles macht. Wenn er einen anderen Sänger will, dann würde er einen aussuchen. Aber ich mag diese Sessionarbeit, gerade im Prog kommt das nicht so oft vor. Ich habe ja auch etwas für Marek Arnold gesungen. Als Freelancer habe ich viele verschiedene Dinge gemacht, mein erster Job als Profi war in dem Musical “Die Buddy Holly Story“. Ich habe die Titelfigur gespielt, das war 1993, in dem Jahr, als auch Ritual gegründet wurde. Ich habe auch in “Hair” eine Hauptrolle gespielt, und war viel in den USA, zum Beispiel mit einem ABBA-Tribute. Jetzt singe ich in einem Queen-Tribute, aber auch in einer Bigband, wo wir Frank Sinatra spielen. Aber bei allen diesen unterschiedlichen Stilen, Ritual ist mein Herz und meine Heimat. Aber es ist so befreiend, dann immer wieder zu Ritual zurückzukommen und das zu machen, was du wirklich liebst. Ohne irgendwelche Kompromisse, keiner schreibt dir irgendwas vor. Kein Manager sagt: „Oh, der Song passt nicht, lass den weg.“ Das war auch das Schöne an Martin von Karisma. Wir haben ihm das Album geschickt, und er sagte, großartig, danke.
Und das sagen wir auch. Und sind gespannt auf Teil Zwei!